Interessant ist gleichwohl, wie sehr – und wie öffentlichkeitswirksam – Gesterkamp darunter leidet, dass er seinen eigenen Ruf durch die Kritik an seiner Schrift beschädigt sieht. Er wirkt zwar erleichtert und überrascht darüber, dass niemand gegen sie geklagt habe, beschwert sich jedoch intensiv über "Rufschädigungen". Seiner Expertise sei doch glatt abgesprochen worden, wissenschaftlich zu sein – weil er nämlich keine Fußnoten benutzt, sondern seine Quellen erst am Ende seines Textes angegeben habe.
Natürlich stimmt das so nicht. Die Kritik an Gesterkamps Positionen bezieht sich nicht auf Fußnoten, sondern in aller Regel darauf, dass er Belege für seine weitgehenden, tatsächlich massiv rufschädigenden Vorwürfe völlig schuldig bleibt – als ob Männerrechtler es nicht einmal verdient hätten, dass harte Angriffe gegen sie zumindest oberflächlich begründet werden.
Der Kritik an ihm unterstellt der FES-Autor gleichwohl typisch männliches Konkurrenzverhalten, vermutlich wurzelnd in dem Neid auf einen erfolgreicheren Mann.
Ja, tatsächlich, das sagt er so, und das habe ich mir nicht ausgedacht, um den guten Ruf des erfolgreichen Journalisten noch weiter zu beschädigen: Wenn jemand sich darüber aufregt, grund- und beleglos öffentlich als Nazi hingestellt zu werden, dann lässt sich das selbstverständlich nur durch uneingestandene Konkurrenzgefühle und Neidkomplexe erklären. Wie auch sonst?
Gesterkamp (...) nutzt routiniert seine privilegierten Zugänge zu Institutionen, um Texte zu verfassen, die den Zweck haben, andere zum Schweigen zu bringen. Was er tut, ist nicht zukunftsweisend, nicht einmal gegenwartstauglich, sondern hält verbissen an der diffusen Vorstellung fest, dass früher irgendwie alles besser war.
Dass die sozialdemokratische Tagung so nicht nur auf ganzer Linie scheitert, sondern schließlich gar in faschistoide Positionen kippt, liegt zuallererst daran, dass sie sich für ihr Thema überhaupt nicht interessiert. (...) Die Tagung interessiert sich überhaupt nicht dafür, wie Gewalt, Hetze oder Verleumdungen im Netz effektiv eingedämmt werden können. Beleidigungen gegen Männer sind höchstens dann einmal Thema, wenn Männer wegen einer feministischen Haltung angegriffen werden. Niemand kommt auf die Idee, Gewalt, Hetze, Verleumdung und gezielt entfachte Shitstorms gegen Einzelne unabhängig von den politischen Positionen der Beteiligten zu ächten.
Die Bloggerin Yasmina Banaszczuk hat beispielsweise die Gelegenheit, sich ausführlich als unschuldiges Opfer eine großen, aggressiven Shitstorms zu präsentieren und dabei ihre ressentimentgeladene Typologie des "Trolls" vorzustellen. Niemand hält es für nötig zu erwähnen, dass sie im Netz eben deswegen in Schwierigkeiten geraten war, weil sie selbst versucht hatte, einen solchen Sturm gegen einen anderen Blogger zu entfachen – und weil sie sich dabei überhoben hatte.
So ist hier auch die Auseinandersetzung mit "Cybergewalt" bloß Instrument für ein politisches Ziel, das Michael Seemann lediglich deutlicher und ausdrücklicher formuliert als alle anderen Beteiligten.