Beide Diskussionsteilnehmer rechtfertigten den vorauseilenden Empörungssturm, der selbst zu einem zentralen Thema der Talkshow wurde, nur in Teilen. Und gerade Steeb lieferte unfreiwillig den Beweis, dass es manchmal besser sein kann, seine Gegner einfach ausreden zu lassen. Obwohl ihm dazu ausreichend Gelegenheit geboten wurde, gelang es dem zehnfachen Familienvater zu keinem Zeitpunkt, darzulegen, warum die Aufklärung über die Vielfalt sexueller Identitäten eine Gefahr für jene traditionelle Form von Ehe und Familie darstelle, die er als privates und gesellschaftliches Ideal betrachtet. Die Überzeugungskraft seiner Argumente, etwa zur Natürlichkeit oder Unnatürlichkeit diverser Familienformen, dürfte sich bei unvoreingenommenen Zuschauern also in engen Grenzen gehalten haben. Die Vehemenz allerdings, mit der man vergleichbare Stimmen mundtot zu machen versucht, könnte auf Dauer zu einem "Sarrazin-Effekt" führen. Eine homophobe Veröffentlichung in wissenschaftlichem Gewand hätte vielleicht auch heute schon das Zeug zum Bestseller.
Wie Maischberger zum Ende der Sendung hetzerische Kritik am Bildungsplan mit der Kritik an ihrer Sendung durch Homosexuelle gleichsetzte, lässt einen sprachlos zurück. Im Vorfeld der Sendung hatte ein Blogger ketzerisch, aber konsequent gefragt, ob Maischberger demnächst auch Nazis einladen würde. Es ist schlimmer als das: Das Resultat einer solchen Maischberger-Sendung wäre, dass danach der Zentralrat der Juden ein Rechtfertigungsproblem hätte. Und niemand würde sich daran stören.
(...) Bevor er am Ende doch ein wenig von seinem wahren Ich zeigte, kam Hartmut Steeb als netter Onkel rüber, der doch nur wegen ein paar Details zum Unterschreiben der Petition gegen den Bildungsplan aufruft. Eine vorbereitete Moderation hätte nicht nur darauf verweisen können, sondern müssen, dass er und sein evangelikaler Verband sich für die "Heilung" der Homosexualität einsetzen. Dass er Schwule und Lesben als "krank" bezeichnet und selbst ein Kanzlerinnen-Grußwort für einen CSD als "Art aktiver Unterstützung von Homosexualität und Lesbentum" ablehnt. Das hätte schnell erklärt, warum etwa diese Redaktion Front gegen seine Einladung machte.
Ich halte den "Waldschlösschen-Appell gegen die Verharmlosung homosexualitätsfeindlicher Diffamierungen", wie gesagt, für problematisch. Weil man ihn so verstehen kann, als sollten bestimmte, missliebige Positionen aus der öffentlichen Debatte ausgeschlossen werden. Aber er hat das Ziel, genau das zu verhindern, was bei Maischberger nicht nur passierte, sondern von der Moderatorin auch noch aktiv gefördert wurde: Dass der Eindruck entsteht, Diskriminierung von Minderheiten und Nicht-Diskriminierung von Minderheiten seien zwei gleichwertige Positionen oder "Meinungen", die man in einem Duell gegeneinander antreten lassen kann. Als sei "zu schwulenfreundlich" ein natürlicher und sinnvoller Gegensatz zu "zu schwulenfeindlich" und das gesunde Maß irgendwas in der Mitte.