Frankreich geht gegen Terrorsprache vor
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Frankreich geht gegen Terrorsprache vor


Das im November 2014 verabschiedete Antiterrorgesetz wird von Gerichten in ganz Frankreich jetzt konsequent angewendet und Urteile im Schnellverfahren gefällt. Innenminister Bernard Cazeneuve will damit heimische Terroristen und ihre Sympathisanten daran hindern, im Internet barbarische Handlungen gutzuheissen und neue Rekruten für ihre Sache anzuwerben. Premierminister Manuel Valls hat den Sinn des Gesetz so beschrieben: "Rassismus, Antisemitismus und die Glorifizierung des Terrorismus (apologie du terrorism) sind Verbrechen." Die Beleidigung und Diskriminierung von Christen und Moslems erwähnt er dabei nicht.


Michael Wacquez, ein Anwalt eines Beschuldigten, der in Strassburg bereits zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, weil er seine Sympathie für die Kouachi-Brüder zum Ausdruck brachte, beschrieb das Problem, welchem die französische Justiz jetzt gegenübersteht: "Es gibt 40'000 Tweets da draussen, die Unterstützung für die Terroristen ausdrücken. Was wird man mit all diesen Leuten machen? Sind die Gefängnisse vorbereitet, um 40'000 Menschen aufzunehmen, weil sie schlechte Witze auf Twitter geschrieben haben?"

Es bestätigt sich, was ich bereits in meinen vorhergehenden Artikeln vorhergesagt habe. Nach dem Attentat auf "Charly Hebdo" hat man wohllaut gerufen, das wäre ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit und man müsse diese verteidigen, tatsächlich nutzt man die Gelegenheit, um mit den neuen und scharfen Gesetzen gegen die geäusserte Meinung in der Bevölkerung vorzugehen.

Die längste Gefängnisstrafe, die bereits gegen einen Mann am Dienstag in der nordfranzösischen Stadt Valenciennes verhängt wurde, lautet: VIER JAHRE, weil er gegenüber der Polizei die Meinung geäussert hat: "Es sollte mehr Kouachis geben. Ich hoffe ihr seid die Nächsten (Opfer)".

In Toulouse (Südfrankreich) wurden drei Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem sie dem Mord an den 17 Menschen durch die Attentate der vergangenen Woche applaudiert hatten. "Die Kouachi-Brüder sind nur die ersten, ich hätte mit ihnen sein sollen, damit wir noch mehr Menschen hätten töten können", soll einer der Angeklagten gegenüber dem Sicherheitsdienst der Strassenbahn geäussert haben.

In Orleans bekam ein junger Mann eine Gefängnisstrafe von 6 Monaten, weil er gegenüber einer Gruppe von Polizisten gerufen hat, "lang lebe die Kalaschnikow". Dazu musste er noch 200 Euro an Entschädigung für jeden der vier Polizisten zahlen. Er soll zum Zeitpunkt der Aussage betrunken gewesen sein.

Klingt wie das Nutzungsverbot von Wörtern in Deutschland, die an das III. Reich erinnern. Wer das Wort "Autobahn" benutzt, ist ein Nazi. In Frankreich reicht das Wort "Kalaschnikow", um im Gefängnis zu landen, weil angeblich mit so einem Waffentyp die Mitarbeiter von "Charlie Hebdo" getötet wurden.



Warum nicht auch die Leute, die den Namen von Automarken ausprechen, gleich verhaften und für Jahre wegsperren. Ein "Citroen" und ein "Renault" wurden als Fluchtfahrzeuge benutzt. Jetzt gehören diese Markennamen zum Terrorvokabular. Das Neusprech-Lexikon von Orwell lässt grüssen. Ist doch lächerlich, aber wird so kommen.

Die Behörden und einige Twitter-Nutzer sind auch wegen des "#JeSuisKouachi" - "Ich bin Kuoachi"-Hashtags empört. Sie verlangten vom Betreiber des Dienstes, er müsse handeln und diese verbieten, nachdem die angeblichen Unterstützer der Terroristen diesen Hashtag anfingen zu nutzen. Nur, der Schuss ging nach hinten los, denn die Popularität des Hashtags wurde damit erhöht, weil die Gegner auch diesen für ihren Protest benutzten.

Das neue Antiterrorgesetz wurde am 14. November 2014 in Kraft gesetzt und kommt jetzt nach den Anschlägen zum ersten Mal so richtig zur Anwendung. Von den Gegnern wird es als "Französischer PATRIOT Act" bezeichnet, weil Bürgerrechtsgruppen es "antidemokratisch" nennen und dem Staat zu viele Rechte gegeben wird.

Am umstrittensten ist die Möglichkeit, mutmasslichen "möchte gerne Terroristen" ein Reiseverbot auferlegen und Webseiten zu blockieren und zu verbieten, die "terroristische Handlungen gutheissen", OHNE RICHTERLICHER VERFÜGUNG! Damit ist Frankreich kein Rechtstaat mehr und es herrscht Zensur.

"La Quadrature du Net", eine französische Vereinigung, welche die Rechte im Internet verteidigt, hat das Gesetz scharf verurteilt und es als "ungeeignet und gefährlich" bezeichnet. Es soll vom Verfassungsgericht geprüft werden, ob es die Rechte in der Verfassung verletzt.

So wie es aussieht wird man wegen der aktuellen aufgeheizten Situation die Grenze zwischen echter Terrorsprache und nur lauter Rhetorik oft überschreiten. Jede kleinste Äusserung wird jetzt als Verletzung der Antiterrorgesetze interpretiert, jede Unmutsäusserung und Kritik gegenüber dem französischen Staat oder Israel wird schwer bestraft.

Ist wieder die typisch absurde Logik der Polizeistaatler. Man will die Meinungsfreiheit schützen, indem man sie einschränkt.

Was erstaunlich ist, es gibt tatsächlich viel Sympathie und Verständnis in Frankreich für die mutmasslichen Attentäter und ihre Aktionen. Wie oben gezeigt, wenn jede schriftliche Meinungsäusserung über Twitter und den anderen sozialen Medien, oder jede verbale Äusserung irgendwie als Terrorsprache interpretiert wird, dann werden die Gefängnisse übervoll und Zehntausende einsitzen.

Die französische Regierung gibt einerseits vor, sie verteidigt die Meinungsfreiheit ab jetzt noch mehr, dabei nutzt sie die schlimmen Ereignisse der vergangenen Woche als Grund, um die Meinungsfreiheit massiv einzuschränken. Die Journalisten von "Charlie Hebdo" wurden aber nicht durch Wörter getötet, sondern durch Schüsse aus Waffen.




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